Protégé

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9. März 2020

Input, Interface und Output in Protégé
Der Workflow von Protégé Desktop: Vorab: Installation des Tools; Input: Import einer vorhandenen Ontologie im OWL-Format (oder Erstellung einer eigenen Ontologie ohne Import); Interface: Erstellung oder Bearbeitung von Klassen, Eigenschaften etc., ggf. Ableitung von Regeln (Axiomen); Output: Export der erstellten/bearbeiteten Ontologie oder der abgeleiteten Axiome als Ontologie im OWL-Format

Systemanforderungen: Protégé Desktop kann heruntergeladen und mit Windows, Mac-Betriebssystemen oder Linux offline genutzt werden. Die plattformspezifischen Versionen enthalten bereits Java, so dass dieses nicht gesondert installiert werden muss. WebProtégé kann online mit allen großen Browsern genutzt werden. Desktop- und Browser-Version sind kreuzkompatibel.
Stand der Entwicklung: Protégé wurde 1999 erstveröffentlicht, die aktuelle Version ist v.5.5.0 aus 2019.
Herausgeber: Das Tool wurde am Institut für Medizinische Informatik der Stanford University (anfänglich in Kooperation mit der University of Manchester) entwickelt und ist mittlerweile als Open-Source-Software verfügbar.
Lizenz: kostenfrei nutzbar unter Open-Source-Lizenz (BSD 2-clause license)
Weblink: https://protege.stanford.edu/
Im- und Export: Im- und Export von Ontologien sind in Protégé unter anderem in den Formaten RDF/XML, OWL/XML, Turtle, OBO, LaTeX und JSON möglich.
Sprachen: Keine Angabe

1. Für welche Fragestellungen kann Protégé eingesetzt werden?

Protégé ist ein Tool für die → Erstellung komplexer Ontologien, d. h. es können Kategorien für die Beschreibung eines (beispielsweise literarischen) Gegenstandsbereichs festgelegt, untereinander verknüpft und ausführlich beschrieben werden. Das Tool unterstützt also die wissenschaftliche Modell- bzw. Theoriebildung. Die erstellten Ontologien können außerdem teilweise als Tagsets für die → Annotation von Texten verwendet werden. Mögliche literaturwissenschaftliche Fragestellungen lauten: Welche literaturwissenschaftlichen Gattungen und Genres existieren und in welcher Verbindung stehen diese zueinander? Welche Typen unzuverlässigen Erzählens gibt es – und kann ein Erzähler zugleich mimetisch und axiologisch unzuverlässig sein? Welche weiteren Kategorisierungen ergeben sich automatisch, wenn eine Textstelle in einem Gedicht als Metapher eingeordnet wird?

2. Welche Funktionalitäten bietet Protégé und wie zuverlässig ist das Tool?

Funktion:

  • Erstellung von Kategorien zur Beschreibung eines Gegenstandsbereichs
  • Beschreibung von Kategorien
  • Verknüpfung von Kategorien durch Festlegung von Beziehungen
  • Kombination freier Ontologieerstellung mit standardisierten Komponenten
  • Import bestehender Ontologien
  • Automatische Konsistenzüberprüfung und Schlussfolgerungen für erstellte Ontologien
  • Individualisierbare Nutzeroberfläche
  • Zahlreiche Dokumentationsmöglichkeiten
  • Komplexe Kollaborationsoptionen
  • Plugins verfügbar, z. B. für die Visualisierung von Ontologien

Zuverlässigkeit: Protégé funktioniert zuverlässig.

3. Ist Protégé für DH-Einsteiger*innen geeignet?

Checkliste √ / teilweise / –
Methodische Nähe zur traditionellen Literaturwissenschaft teilweise
Grafische Benutzeroberfläche
Intuitive Bedienbarkeit
Leichter Einstieg
Handbuch vorhanden teilweise
Handbuch aktuell teilweise
Tutorials vorhanden teilweise
Erklärung von Fachbegriffen teilweise
Gibt es eine gute Nutzerbetreuung? teilweise

Protégé ist nur lose an die traditionelle Literaturwissenschaft angebunden – primär ist das Tool auf die Erstellung von Ontologien in naturwissenschaftlichen Disziplinen ausgelegt. Generell wird in den Literaturwissenschaften nur punktuell mit Ontologien bzw. Taxonomien gearbeitet, beispielsweise im Rahmen narratologischer Untersuchungen oder formaler Gedichtanalyse. Dabei spielen allerdings in Protégé verfügbare Optionen wie die Festlegung differenzierter Beziehungen zwischen Kategorien oder das Ziehen logischer Schlüsse auf Basis einer Ontologie in literaturwissenschaftlichen Kontexten gemeinhin keine Rolle.

Obwohl Protégé eine anpassbare grafische Nutzeroberfläche aufweist, ist die Verwendung des Tools für DH-Einsteiger*innen nicht intuitiv: Vorausgesetzt wird Wissen über die Ontologie-Beschreibungssprache OWL (Web Ontology Language), die beispielsweise festlegt, welche Elemente Ontologien aufweisen können (Klassen, Relationen, Attribute, Regeln etc.).

Für die Desktop- und die Web-Variante von Protégé sind Handbücher vorhanden, allerdings setzen diese bereits einiges Vorwissen voraus und sind darüber hinaus – gemessen an den umfangreichen Funktionen von Protégé – recht knapp. Dies gilt insbesondere für das Handbuch für WebProtégé. Dieses verweist zudem teilweise auf Vorträge, die sich auf frühere Protégé-Versionen beziehen, und einige verlinkte Tutorials existieren nicht mehr. Beides lässt darauf schließen, dass das Handbuch nicht gründlich aktualisiert wird. Es sind dennoch einige aktuelle Tutorials verfügbar, die allerdings nicht systematisch die in Protégé zur Verfügung stehenden Funktionen abdecken. Handbuch und Tutorials für die Desktop-Variante sind dagegen systematischer und aktuell.

Fachbegriffe werden in Protégé selbst und in Handbuch bzw. Tutorials teilweise erläutert. Diese Erklärungen setzen jedoch in der Regel auf einer höheren Ebene an, als es für literaturwissenschaftliche Einsteiger*innen in die DH nötig wäre.

Das Protégé-Projekt bietet unterschiedliche Varianten der Nutzerbetreuung an. Zuvorderst zu nennen ist hier eine Mailingliste, über die Fragen zum Tool gestellt werden können, die dann wiederum von anderen Nutzer*innen oder dem Protégé-Entwickler-Team beantwortet werden. Frühere Anfragen, die über diese Liste verschickt worden sind, können im Archiv der Liste eingesehen werden. Dort lässt sich allerdings auch erkennen, dass nicht jede gestellte Frage beantwortet wird. Zudem werden kostenpflichtige Protégé-Kurse und Beratung angeboten.

4. Wie etabliert ist Protégé in den (Literatur-)Wissenschaften?

Protégé ist mit ca. 300.000 registrierten Nutzer*innen das am meisten genutzte Tool zur Ontologieerstellung und kommt insbesondere in naturwissenschaftlichen Kontexten zum Einsatz. In den Literaturwissenschaften, auch in den digitalen, findet es bisher kaum Anwendung.

5. Unterstützt Protégé kollaboratives Arbeiten?

Ja, Protégé bietet zahlreiche und komplexe Kollaborationsmöglichkeiten – ebenso wie facettenreiche Optionen der Dokumentation und der Versionierung, die kollaboratives Arbeiten ebenfalls erleichtern. So können Projekte bzw. Ontologien in unterschiedlichen Modi mit anderen registrierten Nutzer*innen geteilt werden. Außerdem werden alle Änderungen an Ontologien gespeichert und können eingesehen werden. Dabei haben Nutzer*innen die Möglichkeit, auch ältere Versionen einer Ontologie herunterzuladen. Alle Elemente der Ontologien können darüber hinaus mit Notizen unterschiedlicher Kategorien versehen werden – beispielsweise mit Kommentaren, Vor- oder Ratschlägen–, die die Kommunikation zwischen Teamkolleg*innen vereinfachen und effizient machen.

6. Sind meine Daten bei Protégé sicher?

Ja. Für den Download der Desktop-Version von Protégé ist es erforderlich, einen Namen und eine Projektbeschreibung anzugeben. Dabei können allerdings beliebige Angaben getätigt werden. Für die Nutzung der Web-Version müssen Name und E-Mail-Adresse angegeben sowie ein Passwort vergeben werden. Die E-Mail wird allerdings nicht (beispielsweise im Rahmen eines Bestätigungsvorgangs) überprüft. Die in WebProtégé erstellten Ontologien sind nur in einem gesicherten Login-Bereich verfügbar. Persönliche und in Protégé erstellte Daten werden nicht weitergegeben – sie werden aber ggf. analysiert, um die angebotenen Dienstleistungen aufrechtzuerhalten und zu verbessern.

Wenn Sie in Protégé bereits existierende Ontologien importieren möchten, sollten Sie darauf achten, dass Sie dazu berechtigt sind, diese Ontologien zu verwenden.

7. Nachweise und weiterführende Literatur

  • Lohmann, Steffen, Stefan Negru, Florian Haag und Thomas Ertl (2016): „Visualizing Ontologies with VOWL“. In: Semantic Web. 7 (4), 399–419.
  • Maroto, Nava und Amparo Alcina (2009): „Formal description of conceptual relationships with a view to implementing them in the ontology editor Protégé“. In: Terminology. 15 (2), 232–257.
  • Noy, Natalya F. und Deborah L. McGuinness (2001): „Ontology Development 101. A Guide to Creating Your First Ontology“. Text abrufbar unter: https://protege.stanford.edu/publications/ontology_development/ontology101.pdf (Zugriff am 6.3.2020).
  • Schärfe, Henrik (2004): „Narrative Ontologies“. In: Knowledge Economy Meets Science and Technology - KEST2004, 19-26.
  • Song, Dezhao, Christopher G. Chute und Cui Tao (2012): „Semantator: Annotating Clinical Narratives with Semantic Web Ontologies“. In: Proceedings of AMIA Summit on Translational Science, URL: http://swat.cse.lehigh.edu/pubs/song12a.pdf [Zugriff: 9.3.2020].